Agiles Lernen in Klasse 5: Spielerisch entdecken die SuS Grundlagen des Design Thinking und entwickeln ein Konzept für ein perfektes Zimmer.

Seit Beginn des Schuljahres 2021 / 22 arbeite ich in meinen Lerngruppen nach agilen Prinzipen und mit Hilfe der Methode Scrum. In Klasse 5 habe ich dazu feste Scrum-Teams etabliert, die gemeinsam projektorientiert arbeiten und gemeinsame Lernprodukte erstellen. Im Rahmen der zweiten Unterrichtssequenz geht es dabei um das eigene Zuhause und die Beschreibung des eigenen Zuhause.

Der inhaltliche Schwerpunkt sollte dabei weniger auf der Präsentation des eigenen Zimmers liegen (was unter Umständen sozio-ökonomische Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern deutlich gemacht hätte), sondern die Gruppen sollten das perfekt ausgestattete eigene Zimmer konzipieren. Für einen solchen design-orientierten Ansatz bietet sich die Methode Design Thinking als Rahmenmodell an, weil es größtmögliche inhaltliche Freiheit ermöglicht und zugleich den SuS vielfältige kreative Methoden zur Seite stellt.

Eine gute Orientierung zum Einsatz von Design Thinking bietet das Design Thinking Handbuch der Hopp-Foundation, in dem die Methode und mögliche Unterrichtszenarien sehr anschaulich dargestellt werden.

Das folgende Video der Hopp-Foundation stellt die Methode kurz und prägnant für den schulischen Einsatz vor:

Quelle: Youtube

Die 4K – Kreativität, Kollaboration, Kooperation und kritisches Denken sind für mich zentrale Säulen eines zeitgemäßen Englischunterrichts. Anders als im traditionellen Fremdsprachenunterricht, der häufig durch das Lehrwerk und die bereits vorgegebenen Lehrwerkstexte sowie kleinschritten Aufgaben vorstrukturiert ist, und damit die Kreativität und Kollaboration eher verhindern, kann das lösungsoffene und projektorientierte Arbeiten im Rahmen von Design Thinking dazu beitragen, sich in iterativen Schleifen schrittweise auch komplexen Problemen zuzuwenden und im kreativen Austausch mit anderen zu neuen Ideen und Denkansätzen zu gelangen.

Design-Thinking Prozesse sind üblicherweise in 6 Phasen unterteilt:

In der ersten Phase (Verstehen) ging es für die Schülerinnen und Schüler erst einmal darum, einen kommunikativen Kontext zu erhalten, in dem sich das Problem verorten und verstehen lässt. Ausgangspunkt war hierbei das – viel zu kleine – Zimmer einer fiktiven Mitschülerin. Gemeinsam wurden Gegenstände zusammengetragen, die in ein typisches Jugendzimmer gehören und die in Abby Zimmer leider fehlten. Die SuS erhielten mit dem Arbeitsblatt unten einen advance organizer, der eine kurze Kontextualisierung sowe einen Überblick über die 6 Schritte des Design Thinking bot und zugleich das intendierte Produkt (ein möglichst perfektes Zimmer für Abby zu planen) andeutete.

Darauf aufbauend interviewten sich die Schülerinnen und Schüler in Phase 2 (Beobachten) gegenseitig und trugen so weitere Informationen zu einem typischen Jugendzimmer zusammen. Das in Phase 1 gemeinsam erarbeitete Wortfeld wurde auf diese Weise von den Schülerinnen und Schülern ergänzt und kommunikativ angewendet.
Das Arbeitsblatt zum Arbeitsprozess als advance organizer

In Phase 3 ging es dann darum, die individuellen Bedürfnisse, die an ein perfektes Zimmer gestellt werden, besser zu verstehen und durch eine entsprechende User Story die konkreten Anforderungen an das perfekte Zimmer besser zu verstehen. Dazu analysierten die SuS zunächst den Tagesablauf und die Freizeitaktivitäten von Abby, um diese dann bedarfsgerecht für das perfekte Zimmer zu berücksichtigen. In einem weiteren Schritt berücksichtigten sie dann individuelle Bedürfnisse, um diese dann ebenfalls für die weitere Planung zu nutzen.

In Phase 4 erfolgte dann eine erste Brainstorming-Phase, bei der alle Gruppenmitglieder aufgerufen waren, ihre eigenen Ideen für ein möglichst perfektes Jugendzimmer einzubringen. In dieser Phase sind Kooperation und Kollaboration von besonderer Relevanz und sollten durch gemeinsame Erstellung eines Gruppenproduktes (hier ein Poster mit ersten Gestaltungsideen) sichtbar gemacht werden.

Nach Fertigstellung des Gruppenposters wurden dann die Arbeitsergebnisse in ein Lego-Modell überführt

In Phase 5 erfolgte dann das eigentliche Design. Hierzu erhielt jede Gruppe eine Box mit Lego-Steinen und eine Grundplatte und sollte dann gemeinsam ein 3-D Modell des perfekten Jugendzimmers entwerfen. Wie schon in Phase 4 galt es auch hier, alle Ideen und Vorschläge aller Gruppenmitglieder angemessen zu berücksichtigen und erst mit dem Bau zu beginnen, wenn die gemeinsame Aushandlung abgeschlossen ist.

In Phase 6 haben dann die Gruppen ihre individuellen Lösungen im Klassenplenum präsentiert. Die übrigen Gruppen waren aufgerufen, anhand der Kriterien, die gemeinsam aus den User Stories entwickelt worden waren, zielgerichtete Rückmeldungen zu geben und zu beurteilen, inwieweit Abby mit dem, von der Gruppe entworfenen Raumdesign wohl zufrieden wäre.

Den Abschluss machte – als zentrales Element von Scrum – eine Retrospektive, in der die Schülerinnen und Schüler noch einmal Gelegenheit erhielten, ihre individuellen und kollektiven Lernerfahrungen im Projekt zu reflektieren. Gerade die Retrospektive erwies sich dabei als besonders hilfreich, weil Gruppenprozesse von den Lernenden kritisch reflektiert wurden und bereits erste Verbessungsvorschläge für weitere Projektarbeit gemacht wurden.

Über die Retrospektive sowie die gemeinsame Aushandlung von Individual- und Teambewertung werde ich in einem gesonderten Blog-Beitrag in Kürze berichten.

Eine Langfassung dieses Blog-Beitrages erscheint im Laufe des Jahres in einer weiteren Ausgabe von Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch (Friedrich Verlag). (Link folgt).